Weniger Herzerkrankungen durch Grippeimpfung

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Rund 5 Prozent der Bevölkerung in Österreich sind im langjährigen Schnitt durch eine Grippeimpfung gegen Influenza geschützt. Damit gehört unser Land zu den Schlusslichtern in Europa, wie eine Statistik des europäischen Zentrums für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC) zeigt. Wie wir dennoch bei den Impfraten den Anschluss an die Spitzenreiter wie Großbritannien oder die Niederlande schaffen könnten, diskutierte eine hochrangige Runde von Expertinnen und Experten im Rahmen eines Gipfelgesprächs bei den 4. PRAEVENIRE Gesundheitstagen im Stift Seitenstetten. Dieses fand unter der Ägide der Österreichischen Gesellschaft für Vakzinologie (ÖgVak) statt.

Als Gründe für die fehlende Akzeptanz nennt die Präsidentin der ÖgVAk, Univ.-Prof. Dr. Ursula Wiedermann-Schmidt, neben Fehlmeinungen, die in der Bevölkerung zirkulieren, auch das Imageproblem, das dem Impfstoff anhafte. Die Zusammensetzung erfolge durch eine Prognose der voraussichtlich in der künftigen Saison in Europa am häufigsten auftretenden Virenstämme. „Das lässt sich nicht immer 100-prozentig vorhersagen“, so Wiedermann-Schmidt. Daher kann es vorkommen, dass Menschen an einem Stamm erkranken, der eben nicht durch die Impfung abgedeckt sei. „Solche Fälle tragen dann zum schlechten Ruf bei“, sagt die ÖgVak-Präsidentin. Allerdings würde bei einer geimpften Person in diesem Fall der Verlauf dennoch wesentlich milder sein als bei Personen, die gänzlich ohne Impfschutz erkranken.

Man muss den Patientinnen und Patienten klar vermitteln, dass die Influenza-Impfung essenzieller Bestandteil der jeweiligen Therapie und genauso wichtig sei wie beispielsweise die Blutdrucktablette oder ein Blutverdünner, die täglich genommen werden. – Holger Flick

Einer der Gründe, warum die Grippeimpfung so schlecht angenommen wird, sei die Verwechslung der „echten Virusgrippe“ mit dem grippalen Infekt. Statistisch werden sowohl die Influenzaerkrankungen als auch die Influenza-ähnlichen Erkrankungen erfasst. „In der vergangenen, eher schwachen Grippesaison wurde bei 145.000 Personen in Österreich eine Grippe diagnostiziert. Im Vergleich zum Vorjahr, das eine sehr starke Saison war, erkrankten 440.000 Personen“, schilderte Dr. Monika Redlberger-Fritz, Leiterin des Nationalen Referenzlabors für die Erfassung und Überwachung von Influenza-Virusinfektionen, Zentrum für Virologie der MedUni Wien. Da die Grippe fast nie als eigentliche Todesursache vermerkt ist, sondern zumeist Grunderkrankungen, muss man sich die sogenannte Influenza-assoziierte Übersterblichkeit errechnen. „Diese hat eine große Bandbreite von 400 in ganz schwachen Jahren bis 4.000 in sehr starken Saisonen. Im Schnitt sterben jährlich rund 1.300 Personen an Influenza in Österreich“, so Redlberger-Fritz. Daher müsse die Wahrnehmung und die Schwere der Erkrankung besser vermittelt werden.

„Das größte Hindernis, dass Menschen sich nicht impfen lassen, sind sicherlich fehlende bzw. falsche Informationen sowie Ängste, die nicht auf Daten und Fakten basieren“, erklärt Mag. Michael Prunbauer, Bereichsleiter der NÖ Patienten- und Pflegeanwaltschaft. Er zitierte eine Eurobarometer-Studie aus dem heurigen April, die zeigt, dass rund ein Drittel der Befragten auf die Frage, warum sie nicht geimpft seien, angibt: „Weil es mir der Hausarzt nicht angeboten hat“. Das zeige, dass der Patientenkontakt nicht dazu genützt wird, die richtigen Informationen zu vermitteln. Es wäre notwendig, dass jene Personen im Gesundheitssystem, denen die Patientinnen und Pateinten am meisten vertrauen, ihnen auch das Richtige raten. Zudem sollte Informationsmaterial leicht verständlich aufbereitet sein. „Weniger ist oft mehr“, so Prunbauer. Die Argumentation der in der Studien Befragten klinge für den Allgemeinmediziner Dr. Reinhold Glehr ein wenig nach einer Ausrede, denn in jeder Ordination würden zumindest die einschlägigen Plakate hängen.“ „Da die wenigsten Patientinnen und Patienten explizit wegen eines Impfgesprächs in die Ordination kommen, muss man über andere Wege das Interesse wecken“, so Glehr.

Dominokrankheit Grippe

„Wir haben sehr gute Daten, dass die Influenza-Impfung kardiovaskuläre Morbidität reduziert“, erklärt Dr. Holger Flick von der Klinischen Abteilung für Pulmologie der MedUni Graz, der eine Task Force Influenza ins Leben gerufen hat. Mittlerweile haben alle wichtigen medizinischen Fachgesellschaften zugesagt, hier mitzuwirken. Man müsse den Patientinnen und Patienten klar vermitteln, dass die Influenza-Impfung essenzieller Bestandteil der jeweiligen Therapie und genauso wichtig sei wie beispielsweise die Blutdrucktablette oder ein Blutverdünner, die täglich genommen werden. so Flick. Studien würden zeigen, dass Hochrisikogruppen wie kardiologische, pulmologische, onkologische und rheumatologische Patientinnen und Patienten nur zu 20 Prozent geimpft sind — in anderen Ländern liegt der Wert in der Vergleichsgruppe bei 80 Prozent. „Man muss den Menschen sagen: Es ist eine Impfung gegen Herzinfarkt“, bringt es Flick auf den Punkt. „Wir wissen seit dem Jahr 1932, dass die Grippe eine Dominoerkrankung ist. Mit der Grippe fängt es an und dann folgt der nächste Stein, ein Herzinfarkt oder eine Herzinsuffizienz“, so Primar. Univ.-Doz. Dr. Christoph Wenisch, Vorstand der 4. Medizinischen Abteilung am SMZ Süd. Die Sterblichkeit bei Herzinfarkt steige um 5 Prozent und um 24 Prozent bei der Herzinsuffizienz. Raucher mit einer koronaren Vorschädigung haben im Falle einer Grippe gar ein sechsfach höheres Risiko einen Herzinfarkt zu erleiden — mit der Grippeimpfung ließe sich das Herzinfarktrisiko um 50 Prozent, das Risiko eines Schlaganfalls um 20 Prozent reduzieren. Damit ließe sich die Motivation, impfen zu gehen, zum Beispiel in dieser Gruppe steigern.

Die Grippeimpfung schrecke auf Grund der Hürden im Moment viele Menschen ab, konstatierten die Expertinnen und Experten. Länder wie Großbritannien oder Russland würden einen niederschwelligen und kostenlosen Zugang bieten — daher würde die Impfung dort auch besser angenommen. Das sei natürlich auch ein Thema der Finanzierung, die der Hauptverband bislang mit dem Verweis auf eine Präventivmaßnahme abgelehnt habe. So betrachtet wäre ein Beta-Blocker genauso eine Präventivmaßnahme — der würde aber bezahlt. „Einer der wichtigsten Punkte ist, dass die Influenza-Impfung bei bestimmten Risikogruppen — etwa Personen mit Herz-Kreislauf- oder Lungenerkrankungen ursächlich zu einem Therapiekonzept gehört“, so Wiedermann-Schmidt.

Niederschwelliger Zugang ab dem Kindesalter

„In der Epidemie sind die Kinder die ersten, die betroffen sind“, erklärte Univ.-Prof. Werner Zenz von der Klinischen Abteilung für Pädiatrie an der MedUni Graz. Ihr Risiko zu erkranken sei doppelt so hoch wie das von Erwachsenen. Ausgehend vom Todesfall eines Kindes auf der Station im heurigen Jahr machte er eine Umfrage unter anderen Kliniken und kam zum Ergebnis, dass es zwischen November und März 17 Todesfälle bei Kindern durch Influeza in Österreich gab. Daher forderte er, dass die Gratis- Impfung für Kinder in den Impfplan gehöre.

„Auch Schul- und Betriebsärztinnen und -ärzte müssen noch stärker eingebunden werden“, warf Dr. Rudolf Schmitzberger, Leiter des Impfreferates der Österreichischen Ärztekammer ein. Zudem hoffe er, dass das neue Ärztegesetz Änderungen mit sich bringe, die es erlauben, dass beispielsweise anlässlich der Impfung eines Kindes durch den Kinderarzt auch gleich die Begleitpersonen mit geimpft werden dürfen.  „Wir müssen auch die Zielgruppe etwas schärfen“, so Schmitzberger. Er sieht in erster Linie die Kindergarten- und Schulkinder als wichtigste Zielgruppe die gewonnen werden muss. Für diese müsse die Impfung gratis sein. „Schon in der Schule muss Gesundheitsbildung einsetzen und somit ermöglichen, dass sich bereits im Kindesalter ein Gesundheitsbewusstsein entwickeln kann. Dadurch erreichen wir früh ein Verständnis für Prävention, um zu Impfungen“, sagte Univ.-Prof. Dr. Heidemarie Holzmann. Der zweite Bereich, in dem wir ausbildungsmäßig ansetzen müssen, betrifft die Gesundheitsberufe, denn diese sind Schlüsselpersonen und Multiplikatoren. Die Angehörigen der Gesundheitsberufe haben eine Vorbildfunktion. Daher müssen sie selbst besser durchgeimpft sein und gleichzeitig die Informationen an ihre Patientinnen und Patienten weitergeben. „Das Thema Impfen soll nicht nur in der Ausbildung, sondern muss auch in der Weiterbildung verstärkt vorkommen“, so Holzmann.

Rücksicht auf die Bedürfnisse nehmen

„Die Seniorinnen und Senioren sind durchaus bereit, sich impfen zu lassen, und wissen auch um die Wichtigkeit der Grippeimpfung Bescheid. Woran es dann in der Umsetzung krankt, ist, dass man den Impfpass nicht findet oder aus Furcht sich anzustecken nicht in ein überfülltes Wartezimmer setzen möchte“, schilderte Mag. Gertrude Aubauer, Vizepräsidentin des Österreichischen Seniorenbundes. Wir wünschen uns eine Verbesserung der Niederschwelligkeit des Zugangs durch stärkeres Zugehen und Rücksicht auf die Bedürfnisse der Menschen und die Leistbarkeit der Impfungen. „Da bin ich bei Frau Mag. Aubauer. Der Zugang zur Impfung muss einfacher werden“, betonte der Präsident der OÖ Apothekerkammer, Mag. Thomas Veitschegger. So könne er sich Pilotprojekte vorstellen, bei denen die Ärztin oder der Arzt in die Apotheke kommt und Impfungen durchführt. Zudem habe er in Oberösterreich schon mehrfach eine Aktion gemeinsam mit der Sozialversicherung durchgeführt, bei der es eine Impfung plus Impfstoff schon um 15 Euro gab.

Neben einer besseren Kommunikation über die Vorteile der Grippeimpfung setzen die Expertinnen und Experten große Hoffnungen auf eine neue, zellbasierte Generation von Impfstoffen. Die Verträglichkeit der Impfstoffe ist vergleichbar. Besonders in Grippesaisonen mit starker Zirkulation von Influenzaviren des Subtyps A/H3N2 kann eine Grippeimpfung gesteigerte Wirksamkeit haben.